Im Blick auf die Situation im Nahen Osten und weltweit.
Was haben Judentum, Christentum und Islam aus ihrer Tradition dazu zu sagen? Und welche Schritte versuchen Menschen ganz praktisch und alltäglich auf dem Weg zu einem gerechten Frieden zu gehen?
Mit diesen Fragen in Kopf und Herz durfte ich im Herbst 2022 drei Monate in Jerusalem verbringen. Was für eine Chance, eine Zeit lang leben zu dürfen in dieser Stadt, in der das Thema seit langem brennt wie kaum irgendwo sonst.
Aber auch an anderen Orten in Israel und Palästina diesseits und jenseits der Mauer konnte ich unterwegs sein. Im Gespräch sein mit Jüdinnen und Juden, Christinnen und Christen und Muslimas und Muslimen, die Brücken bauen wollen in diesem schönen und schwierigen Land.
Und endlich einmal lesen, lesen, lesen – wofür im Berufsalltag zu Hause kaum Zeit bleibt.
Die Theologische Fortbildung von Studium in Israel bot einen idealen Rahmen dafür.
Und die Begleitung durch Studienleiterin Dr. Melanie Mordhorst-Mayer und Vikar Philipp Huber war wunderbar!
Was für eine Chance, zusammen mit den Studierenden des Studienjahrs in Vorträgen und Seminaren, an Blocktagen und auf Exkursionen, jüdische Theologie und Fragen des jüdisch-christlichen Dialogs vertiefter verstehen zu dürfen. Und dabei als „älteres Semester“ freundlich und wohlwollend aufgenommen zu sein auf Zeit in die Gruppe der so viel Jüngeren.
In Synagogengottesdiensten und an den großen Feiertagen in der Stadt gelebte jüdische Spiritualität und religiöse Praxis miterleben zu dürfen. Überhaupt:
Dem ganzen Spektrum des religiösen und säkularen Judentums und der christlichen Ökumene in Jerusalem begegnen zu können, wie es nur hier möglich ist.
Immer wieder war die Erlöserkirche Anlaufpunkt für mich. Die Gottesdienste, der Chor und andere Gemeindeveranstaltungen und nicht zuletzt das Cafe im Kreuzgang boten anregende und vertraute Heimat auf Zeit. Spannend für mich als ehemalige Auslandspfarrerin war auch, das besondere Profil dieser Auslandsgemeinde wahrzunehmen.
Besonders beeindruckend: die Begegnungen und Gespräche mit Gemeindemitgliedern, die seit langem im Land leben. Ihre Lebensgeschichten zu hören und zu lesen. Als Christinnen und Grenzgänger*innen zwischen den Fronten leben manche hier ganz praktisch Versöhnung – historisch und kulturell sensibel und entschlossen zugleich.
Was für ein Luxus, Zeit und den Freiraum zu haben, sich immer wieder durch die Stadt treiben zu lassen – durch die Gassen der Altstadt ebenso wie durch die Straßen und Parks anderer Viertel. Die Spuren jüdischen Immigranten aus Deutschland und Europa in Rehavia und anderen Vierteln zu erforschen.
Bei Führungen von Ir Amin die Wirklichkeit in arabischen Vierteln Ost-Jerusalems und die Auswirkungen der politischen Entwicklungen der letzten Jahrzehnte zu sehen.
Aber auch im Land reisen zu können. Sich so anders geprägte Städte wie Akko, Haifa und Tel Aviv zu erlaufen und die wechselvolle und facettenreiche Geschichte der christlichen Deutschen, ihrer Gemeinden und Diakonie in Jerusalem und an anderen Orten im Heiligen Land aufzuspüren.
Nachhaltig beeindruckend die Begegnungen jenseits der Mauer – vor allem mit palästinensischen Christ*innen in Bethlehem und Beit Jala, mit Menschen in Ramallah und mit der Familie Nassar in „Tent of Nations“. Und die Erfahrungen an und mit der Mauer und den Checkpoints.
Schließlich: Den Wahlkampf des Herbstes 2022 und die Parlamentswahl vom 1. November mitzuerleben – und die Wandlungen in der israelischen Gesellschaft zu erahnen, die sich darin ausdrückten.
Es waren drei intensive und reich gefüllte Monate – mehr hätte nicht hineingepasst. Nicht in die geschenkte Zeit und nicht in Kopf und Herz.
Am Ende war die Zeit dennoch zu kurz.
Und das Thema „Gerechter Frieden“? Bedrückend offen. Im Heiligen Land und für mich persönlich. Aber ich bleibe dran.
(von Pfarrerin Annegret Helmer aus Alsdorf, Studienaufenthalt 2022)